Falling Carefully

10/09/2024 - 16/11/2024


Isaac Chong Wai
Falling Carefully

Eröffnung: Samstag, 07. September, 18–20.30 h
10. September–16. November 2024
Zilberman | Berlin
Schlüterstr. 45, 10707 Berlin

Zilberman | Berlin freut sich, die Soloausstellung Falling Carefully von Isaac Chong Wai anzukündigen.

Ausgehend von seiner performativen Praxis zeigt Isaac Chong Wai in Falling Carefully installative sowie malerische Arbeiten, in denen er Bildprozesse untersucht, die sich in Bewegungen und choreographischen Strukturen ereignen. Für die Ausstellung hat Isaac Chong Wai die neue Werkreihe Rehearsed, Mirrored geschaffen, in der er Körper in Bewegung auf Spiegel- und Glastafeln graviert hat. Außerdem wird eine Videoinstallation seiner Performances Falling Exercise und Help! Help? Help. (beide von 2016) gezeigt.

Auf der diesjährigen Venedig Biennale Foreigners Everywhere untersucht Isaac Chong Wai in seiner Performance und 7-Kanal-Videoinstallation Falling Reversely, die auf einer Fläche von 300 Quadratmetern im Arsenale zu sehen ist, Choreografien des Fallens, kollektive Formen des Widerstands gegen rassistisch motivierte Angriffe und institutionelle Gewalt. Auch in der Ausstellung Falling Carefully zeigt Chong Fallbewegungen einzelner, die durch das vorsichtiges Eingreifen Mitfühlender abgefangen werden. So kehrt Chong das Gefühl der Ohnmacht in eines des Vertrauens in die Hilfe der Anderen um, indem er Fallbewegungen entschleunigt oder den fallenden Körper in die stützende Struktur eines Kollektivs einbettet.

Chong stellt das Fallen als einen mit dem menschlichen Dasein verbundenen, immer wiederkehrenden Vorgang dar. Die negative Konnotation des Fallens entschärft er dadurch, dass der Fallende von anderen in einer behutsamen Gegenbewegung gestützt wird. Dem Fallenden wird das erschreckende Gefühl des Unumkehrbaren genommen durch die Empathie der anderen, die ihm zu Hilfe kommen und das Aufstehen ermöglichen.

In der Werkreihe Rehearsed, Mirrored (2024) graviert Chong Spuren von Bewegung in Spiegel- und Glastafeln. Sein Verfahren erinnert an die Bewegungsstudien von Eadweard Muybridge, bei denen jede Phase der Bewegung in einer Momentaufnahme festgehalten wird, oder an die futuristischen Skulpturen Umberto Boccionis. Die auf Spiegel und Glas eingravierten Linien zeichnen die Bewegungsunschärfen oder sukzessiven Bewegungsabläufe nach. Chong zeigt Körper in Bewegungen, die verdeutlichen, wie sie emotional aufeinander bezogen sind: sie umarmen sich, tanzen miteinander, helfen sich gegenseitig, stützen und schützen einander. Über einen Spiegel mit der Darstellung eines Körpers in Bewegung legt Chong eine Glastafel mit einem Körper in ähnlicher Bewegung, jedoch spiegelverkehrt. Wie in einem restitutiven Akt stabilisiert er die zugrunde gelegte Form.

In Tanzproben dient ein Spiegel dazu, die eigene Körperbewegung genau zu beobachten, zu überprüfen und zu korrigieren. Chongs lebensgroßes Quadriptychon derselben Serie Rehearsed, Mirrored setzt die gravierten Spuren tanzender Körper beider Ebenen zueinander in Beziehung. Aber auch wir Betrachtenden vergleichen unsere eigenen Bewegungen mit den vorgegebenen bzw. vergangenen. Durch diese Zeitlichkeit vermittelt Chong den Eindruck eines unaufhörlichen Bewegungsflusses, eines Reigens, in dem Fallen, Aufstehen, Stützen, Helfen in einem Gesamtbild, einer Choreographie aufgehen.

Ausschnitthaft malt Chong Arme, die einen Körper emporheben und in ihrer Verdichtung und Überlappung beinahe abstrakt wirken, wie Bewegungspartituren, womit sie sich der Greifbarkeit entziehen. Verstärkt wird der Eindruck durch das einfallende Licht, wodurch die Gravuren in ihrer Sichtbarkeit changieren. Die übereinandergelegten Formen wechseln zwischen Wiedererkennbarkeit und Abstraktion.

Spiegel und Glas sind die wiederkehrenden Materialien in Isaac Chong Wais künstlerischer Praxis, zuletzt in der Serie Breath Marks, den Missing Spaces wie auch den Leuchtkästen aus Spiegeln, in die Schriftzüge eingelassen sind. Auch in den Arbeiten der Ausstellung Falling Carefully sind sie Material und zugleich Motiv. Durch Spiegel und Glas wechselt unser Blick zwischen Aufsicht und Durchsicht. Ein Fenster trennt und verbindet. Ein Spiegel dient der Selbstvergewisserung, fordert zum Perspektivwechsel auf und kann der Wahrheitsfindung dienen, aber auch das Gegenteil bedeuten. Denn er steht auch für Illusion und Täuschung, zum Beispiel eine Verkennung der eigenen Wirkung. Spiegel und Glas vermitteln ambivalente Sinneseindrücke wie Vulnerabilität, aber auch Resilienz, wobei Vulnerabilität sich in Isaac Chong Wais Arbeiten nicht nur als Abhängigkeit darstellt, sondern auch als Rezeptivität, als Quelle von Empathie.

Text: Lotte Laub

Isaac Chong Wai (geb. 1990) lebt und arbeitet in Berlin und Hongkong. Er ist teilnehmender Künstler der diesjährigen 60. Biennale von Venedig, Foreigners Everywhere, kuratiert von Adriano. Ebenfalls in diesem Jahr wurde Isaac Chong Wai mit dem Kunstpreis der Stadt Nordhorn 2024 ausgezeichnet, einem Preis, der seit 1979 an Künstler:innen vergeben wird, die durch ein frisches und überregional bedeutendes Werk auf sich aufmerksam gemacht haben. Zu Chongs jüngsten Ausstellungen zählen die Bangkok Art Biennale, Bangkok 2024 und die Biennale Sesc_Videobrasil, São Paolo 2023. Seine Werke wurden an namhaften Orten ausgestellt, darunter der Bundeskunsthalle Bonn, dem MMCA in Seoul, IFFR in Rotterdam, MOCA in Taipeh und M+ in Hongkong. Seine Werke sind in namhaften Sammlungen vertreten, darunter Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, Berlin, wo die Werke seit 2023 in der Neupräsentation der Sammlung permanent ausgestellt sind, außerdem der Bundeskunstsammlung; Kadist, Paris und San Francisco und Burger Collection, Hongkong. Er erhielt das New York Désirée & Hans Michael Jebsen Fellowship des Asian Cultural Council und ist Stipendiat der Kulturakademie Tarabya. Im Jahr 2024 wurde er vom Tagesspiegel unter die TOP 100 der wichtigsten Kulturschaffenden in Berlin gewählt. Isaac Chong Wai studierte Bildende Kunst an der Hong Kong Baptist University und Kunst im öffentlichen Raum an der Bauhaus Universität in Weimar. 

Begleitend zur Ausstellung wird ein Katalog erscheinen. Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte die Galerie unter: berlin@zilbermangallery.com


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